Ökologisch Bauen – Was steckt dahinter?
Sechs Fragen an Architekten
Überteuert, zu wenig Auswahl, nicht groß genug, zu dunkel – das Angebot an Häusern und Wohnungen sieht in Ballungszentren nicht gerade rosig aus. Und dann soll der Wohnraum auch noch nachhaltig sein? Dafür plädieren zumindest Klima-Aktivisten wie Greta Thunberg. Das kann beim Such- oder Bauprozess zu Frustrationen führen. Doch wie kann man eigentlich nachhaltig wohnen und bauen? Das beantworten die Dortmunder Architekten Stephan und Angelika Becker.
1. Was macht ein Haus oder eine Wohnung ökologisch?
Stephan und Angelika Becker: Ein Wohnraum ist ökologisch, wenn er ganzheitlich gebaut wird. Dabei müssen zum Beispiel der Energieverbrauch und die Materialauswahl sorgfältig geplant werden. Bei der Materialwahl geht es nicht nur darum, natürliche, emmissionsarme oder recycelte Baustoffe auszuwählen – wie etwa Holzfasern oder Schaumglas zur Dämmung –, sondern auch um die sogenannte Kreislaufwirtschaft. Das heißt: Der Lebenszyklus eines Produkts sollte möglichst lang sein. Auch die Lage und Ausrichtung des Hauses spielen eine Rolle. Je mehr natürliches Licht genutzt werden kann, desto besser.
2. Wie sieht das perfekte ökologische Haus aus?
Wir wünschen uns von den Bauherren mehr Umsicht bei der Planung bezüglich der Größe des Hauses und der Materialwahl. Beides hat immense Auswirkungen auf die Umweltbelastung. Hier heißt das Stichwort tiny und gesund wohnen. Denn ökologische Materialien haben nicht nur eine positive Wirkung auf die Umwelt, sondern auch auf die Bewohner. Das ist wichtig, weil wir uns viel in geschlossenen Räumen aufhalten. Wenn das Haus dann noch so konstruiert wird, dass es in die Kreislaufwirtschaft integriert werden kann, zum Beispiel bei Um- und Anbauten, dann haben wir Architekten viel erreicht.
3. Bei ihren Autos achten die Deutschen bislang wenig auf Ökologie. Steigt tatsächlich die Nachfrage nach ökologischem Wohnen?
Ökologisches Bauen und Wohnen sind sicherlich noch kein „Mainstream“, aber wir merken, dass das Interesse wächst. Dafür gibt es verschiedene Gründe: die zunehmende Sensibilisierung für den Klimaschutz, Allergien auf bestimmte Stoffe oder der Wunsch nach Autarkie, nach echter Unabhängigkeit. Tiny Houses zum Beispiel sind grundsätzlich für alle interessant, die kleiner wohnen möchten, zum Beispiel für junge Studierende oder für Eltern, deren Kinder aus dem Haus gezogen sind.
4. Sind Tiny Houses wirklich ökologischer als klassische Einfamilienhäuser?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Die Antwort richtet sich zum Beispiel danach, auf wie viel Fläche das Tiny House steht. Wenn wir nur das Tiny House betrachten (und wenn überhaupt nur von einem kleinen Grundstück ausgehen), ist es definitiv ökologischer als ein klassisches Einfamilienhaus. Denn weniger Fläche bedeutet auch weniger Material- und Energieverbrauch. Aber auch Mehrfamilien- oder „normale“ Reihenhäuser sind in der Regel ökologischer als klassische Einfamilienhäuser.
5. Die Qual der Wahl hat man bei der Wohnungssuche aktuell nicht unbedingt – kann man auch in einem Altbau ökologisch wohnen?
Grundsätzlich kann man das Wohnen immer ökologisch(er) gestalten, auch in einem Altbau. Das heißt nicht gleich, dass man die gesamte Wohnung sanieren muss. Zunächst sollte geschaut werden: Gibt es natürliches Licht, das man für die passive Energiegewinnung nutzen kann? Gibt es einzelne Bauteile, die ausgetauscht werden können oder sogar müssen? Es geht nicht immer gleich um Perfektion, sondern um kleine Schritte. Der Ersatz eines Baumaterials kann bereits viel bewirken und muss nicht teuer sein. Ökologische Dämmstoffe sind heute keine Nischenprodukte mehr und sind dementsprechend auch bezahlbarer und haben oft bauphysikalische Vorteile, wie zum Beispiel beim sommerlichen Wärmeschutz.
6. Was muss passieren, damit mehr Menschen ökologisch bauen und wohnen?
Damit Ökologisches Bauen und Wohnen zum Standard werden, ist Überzeugungsarbeit die wichtigste Aufgabe. Wir merken bereits, dass die Politik und Bevölkerung anfangen umzudenken. Nun geht es darum, ökologische Angebote zu schaffen. Nicht jeder muss gleich in ein Tiny House ziehen. Es können zum Beispiel auch größere Häuser gebaut werden, die dann später geteilt werden. Für einen effizienten Umbau muss dieser Aspekt aber von vornherein bedacht und geplant werden. Die richtigen Entscheidungen durch Politik und Verwaltung, eine umfassende Aufklärung und eine aufgeschlossene Bevölkerung sind der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen. Aber auch die Architekten müssen flexibler werden und die Bauherren dahingehend beraten können.
Über Stephan und Angelika Becker
Die Diplom-Ingenieure Stephan Becker und Angelika Becker entwickeln Konzepte für „Gesundes Wohnen und Arbeiten“. Mit ihrem Büro Natürlich Architektur begleiten sie ihre Kunden beim ökologischen Bauen und Sanieren. Mehr Informationen unter www.natuerlich-architektur.de.